Musikalischer Lebenslauf - MUSIKALISCHE GEDANKEN von Werner Schnatz
Niemand weiß, wie die MUSIK zu den Menschen kam. Meine Theorie: Die Stimme war das Erste, was der Mensch instrumental einsetzte. Das muss mir im Blut gelegen haben, denn ich begann sofort zu schreien, nachdem ich das Licht der Welt erblickt hatte. Da ich Töne produzierte begriff ich schnell, das die Anderen es auch konnten. Und so ein großer, dunkler Kasten konnte es - GRUNDIG RADIO genannt, fast so wichtig wie das, was Oma, Mutter und Senta benamte Wesen von sich gaben. Es beruhigte mich, es erregte mich. Es ließ mich fröhlich sein, es machte mich traurig. Es hieß: MUSIK. Senta war eine alte, erfahrene Ungarische Hirtenhündin, die kurz vor meiner Geburt der Welt die Letzten ihrer zahlreichen Kinder schenkte. Sie konnte mich beruhigen, ihre Töne waren so sanft wie die von Mutter, Oma und noch welchen, die mal da waren, manchmal nicht. Das Radio konnte nicht immer Töne machen, die Wesen auch nicht. So lernte ich die STILLE HÖHREN. Manchmal, wenn alle vetrauten Töne der Wesen Einer nur war, nannten sie es singen. Das Radio konnte es oft, Mama jeden Abend, damit das Sandmännchen komme und Oma half dem Radio singen, während ich an ihr klebte und sie im Kochtopf rührte, der auch Töne machte - nur die Stille war ohne Töne. OK, Ihr habt es gemerkt, ich war ein Kind im Zeitalter des Radio. Die Musik war Anfang der 50ger Jahre von dem Gedanken geprägt: Hurra, wir haben es überlebt! Die großen, erstklassigen Tanz - Orchester, Max Greger, Hugo Strasser z.B. spielten die Musik der amerikanischen Big Bands. Die deutschen Schlager waren Cover-Versionen lebenslustiger US-Hits - viel Western/Country -Cowboy-Idylle, Freiheit - Abenteuer und ein Pferdehalfter an der Wand. Onkel Hubert war mal Cowboy gewesen, in Amerika, bei den Indianern, sagte er und manchmal spielte er Mundharmonika. Das wollte ich auch. Leider musste ich es erst lernen. Das war komisch - singen hatte sofort geklappt! Natürlich durfte ich üben. Ich blies viel Spucke in das Instrument, vielleicht wurde es mir deshalb geschenkt...Kleine Jungs verlieren schnell das Interesse an Etwas, wenden sich was Anderem zu und sind leicht zu begeistern. Meine Bewunderung galt den Männern, die mit Schiffer-Klavier, Drehorgel und Beinprothese vor den Häusern standen und den Hausfrauen/Müttern ein paar Groschen vom Wenigen entlockten. La Paloma und der Soldat am Wolgastrand waren Hits der kriegsversehrten Allein-Unterhalter. Wir Kinder fingen die aus den Fenstern geworfenen Münzen und leiteten sie in die Kappen oder Becher der " Fahrenden Musikanten " weiter. Das Trömmelchen beim Schützenfest fing uns ein, wie der Rattenfänger von Hameln und zufällig hingen ein paar rot-weiße Blechtrommeln (hallo Günter!) an der Spielzeugbude. Erst quälte Junge so lange, bis er eine bekam, dann quälte er erst recht. Bei seinem dritten oder vierten Besuch brachte der Mann, der mein Vater war, eine Gitarre mit. Die entdeckte ich, weil ich sein großes Auto bewunderte. Wir nahmen sie mit ins Haus und er klimperte. Ich durfte auch und als er wieder verschwand, ließ er sie da. Mutter befahl, sie in Ehren zu halten, also klimperte ich sehr verhalten, verlor die Lust und für viele Jahre war sie nur noch eine Erinnerung an meinen Erzeuger. So mit 12 Jahren etwa wurde ich ein Fan von Freddy. Der hatte abwechselnd Fern- und dann wieder Heimweh und sang darüber zur Gitarre. Und dann brach die Katastrophe herein: Das Radio spielte "NEGERMUSIK". Komisch - die Erwachsenen nannten es so, obwohl die jungen Männer in den seltsamen Anzügen weiß waren. Vielleicht aus Rache für die blöde Frisur der Musiker??? Ich stand noch zu F. In der Schule lernte ich Englisch, verstand also das YEAHYEAHYEAH, fing mir einen Virus ein und hatte die BEATELMANIA. F. war plötzlich doof. Diese schwere Krankheit befiel mich nicht allein - viele Jungs hatten sie. Symptome wie: Schulmüdigkeit, geistige Abwesenheit bei Beat-Musik und verstärkter Haarwuchs sorgten für besorgte Eltern, Pastöre und Lehrer. Freunde zerstritten sich über die Frage: Wer ist besser, BEATLES oder STONES ? Es ging noch wilder! The WHO zerdepperten E-Gitarren und Verstärker im "BEAT-CLUB" und USCHI NERKE war ziemlich unwichtig für `nen Gammler, wie man uns nannte. Also wurden wir HIPPIES ! Blumen im Haar, lalala, Haschpfeifchen brenn - kommen Bullen, dann renn ! Die Musik wurde anders, ein Stück konnte 18 Min. dauern, aus 1 Wahnsinns-Riff bestehen und uns zum extatischen Tanz bewegen.

Heute, mit 53, erinnere ich mich gern an jene Tage. Natürlich ist MUSIK auch jetzt noch wichtig für mich. Das wird auch so bleiben. Bis in die beschallte Urne!

Ich höre gern: erdigen Blues, swingenden Jazz, treibenden Rock, lockeren Latin, Soul/Funk, Westcoast und durch die Band KING FREEZE aus Siegen, neuerdings auch Rockabilly. Ich liebe die Musik von Van Morrison, Vaya con Dios, Santana, Dave Brubeck und Blood, Sweat & Tears, Beatles, Stones, Animals, Doobie Brothers, Frank Sinatra, Janis Joplin, Spencer Davis Group, Bo Hanson, Lee Michaels, Sammy Davis jr. und wenn ich ALLE aufliste, die ich schätze für ihre Musik, ist der Speicher voll! Wenn ich weghöre ist es wegen: seichte Trallalla-Schlager in allen Sprachen, Dumpfbackendisco, Hass-Metall und rechtsradikaler Glatzensound.

Eigentlich gibt es nur zwei Sorten Musik: Gute und Schlechte. Ich bin froh, in einer Zeit aufgewachsen zu sein, als in Familien noch gesungen wurde, als Musik noch nicht so selbstverständlich und allgegenwärtig war, als noch keine unmusikalischen Tittenwacklerinnen über den Bildschirm zuckten! Ich denke, ich hatte Glück mit meiner Jugendzeit - der Zeit des Aufbruchs, der Protestzeit, der Beginn einer gesellschaftlichen Auflockerung u.a. durch die BEATundROCK MUSIK. Das mit den Drogen war Scheiße, hätte so nicht sein müssen, gehört aber mit zum AGE OF AQUARIUS. OK - Ihr habt Euren Musikgeschmack, ich meinen und wir respektieren unsere Verschiedenheit! Dann verbindet die Musik, wird zur Waffe des Friedens denn: WO MAN SINGT DA LASS DICH NIEDER, BÖSE MENSCHEN HABEN KEINE LIEDER !!!

DIE OBLIGATORISCHEN DANKSAGUNGEN: Danke an ALLE, die mich lehrten zu hören und zu unterschei-den zwischen echt und Mogelpackung. Dank an ALLE, die gute Musik machen und die Welt damit verschönern. DANKE für viel Inspiration durch Musik und andere Künste. DANK an all die tanzenden Hippie-mädchen für den schönen Anblick.
W.S. im Jahre 35 nach WOODSTOCK.

Geschichte einer FRAMUS - Westerngitarre.

Auf dem Tisch liegen 3 Farbfotos- zweimal sie und ich und einmal sie allein auf meinem Bett. Sie ist rot und am dicken Ende ist was psychedelisches an ihr. Ich fotografierte sie in Solingen, wohin sie mich begleitet hatte. Und so hab ich sie kennen gelernt: Martin brauchte eine neue Gitarre. Sein Vater sah das irgendwann ein, wollte es Martin aber nicht so einfach machen und so ein Weihnachtsfest stand auch vor der Tür. Er beauftragte mich mit der Spionage nach den Wünschen des Sohnes. Martin hatte mal wieder ne neue Idee - Blues spielen auf `ner Western und so schauten wir mal wieder beim Horn rein, in Siegen. Man kannte uns, ließ uns testen, was interessant erschien. Martin war der weitaus bessere Gitarrist und ich verließ mich auf sein Urteil: Ich würde mir die rote Framus kaufen, sagte er. Und so kaufte ich diese Gitarre mit der Kohle von Papa Z., schmuggelte sie ins Haus der Fam.Z. und dort versteckte sie sich bis Heiligabend. Martin klemmte ihr einen SCHALLER-Tonabnehmer ins Schallloch. An den beiden VOX AC 30 klang sie sehr bluesig. Sie bewährte sich, wurde gespielt wie eine E-Gitarre und hielt tapfer mit. Dann verliebte Martin sich in ein HAGSTRÖM-Brett. Dieser schwedische Gitarrenbauer bastelte viel Qualität, das war nicht billig. Die FRAMUS brauchte Martin nicht mehr und ich wollte sie haben, bekam sie billig, wir kannten uns ja. Sie war robust und folgte mir an viele Lagerfeuer. Sie sah Mädchen kommen und wieder gehen, mich meistens lachend, manchmal traurig. Sie wurde viel gespielt, ich übte wie besessen - sogar spanische Zupftechniken und sie machte alles mit. Andere Dinge wurden wichtig, Zeit fehlte, das Spielen auf ihr wurde seltener. Sie blieb, bis sie so runtergespielt war, das kein Bund mehr reine war. Mal wieder stand ein Umzug an und ich beschloss, sie nicht mit in die Zukunft zu nehmen und brach ihr den Hals. Das war vor 20 Jahren. Hab ja noch die Fotos...

GROSSE STARS DER BEAT/ROCK/JAZZ-MUSIK IN OLPE 60/70ger Jahre
In der Stadthalle sind auch einige der bekannten, berühmten und berüchtigten Bands der frühen Jahre aufgetreten. Leider durfte ich nicht hin, als CASEY JONES & THE GOUVERNORS ihr "Don’t haha" grölten. Ich war noch zu jung, meinte meine Mutter. Ein älterer Bekannter arbeitete in dem Hotel, wo die Band übernachtete. Die haben da wohl ziemlichen Schaden angerichtet, die Herren Beat-Musiker! Als ich 14 war, sollten die DAKOTAS als Vorgruppe für REMO 4 mit Graham Bond als Sänger, auftreten. Da MUSSTE ich hin!!! Rein bin ich gekommen und die Dakotas hab ich auch gehört. Dann hörte ich nur noch meine Mutter sagen, das ich jetzt aber nach Hause gehen müsse - es war 22 Uhr und ich sauerstinkigfrustig. Sie ist einfach rein in die Halle um mich raus zuholen! Gott sei Dank wird der Mensch älter und bei der engl. Band MAN war ich außer Gefahr. Die waren super! Ich glaube, die haben zweimal in OE gespielt. FRUMPY war hier und GROBSCHNITT trat in einem Zelt auf der Bleichewiese auf. Manches hab ich wegen Abwesenheit nicht mitgekriegt, aber mein pers. Highlight in Olpe war ein Jazz/Rock Konzert mit WOLFGANG DAUNER und seiner Band. Am Monster-Schlagzeug saß Kurt Kress und machte Werbung für SONOR. An einer uralten Mini-Schiessbude spielte der Gastmusiker, der schon alte ART BLAKEY, den guten Kurt bei einer Drum-Battle, total an die Wand - es war grandios! Mehr fällt mir nicht ein. Ist da jemand, der sich an andere Konzerte in OE erinnern kann?

GEDANKEN ZUR MUSIK 2004 - ROCK WIRD 50 !
Wir gehen mal vom Jahre 1954 aus und beschließen, dass da die Rock-Musik geboren wurde. So wurde es in diesem, dem 50. Jahr des Rock, gemacht und natürlich wurde die Rock-Musik "an sich" gefeiert. Für mich begann ALLES mit dem BEAT. Das ging in Olpe so etwa 1964/65 los, in Hamburg etwas früher. Ein junger Mann, ein Jugendlicher noch, bis dahin ein guter Schüler und lieber Sohn, verändert sich so schnell, wie Haare wachsen und sein gepflegtes Äußeres wird in eine gepflegte, lässige Gammeligkeit verwandelt. "Lass dir mal die Haare schneiden!!!", war der "Spruch der Zeit" bei Eltern und Verwandten, Lehrern, Ausbildern, Kollegen und "Erwachsenen" überhaupt. Friseure litten Qualen, wenn wir Gammler an ihren Salons vorbei zogen, Bauarbeiter riefen "he, Susi !" und meine Mutter stellte mich vor die Wahl: Entweder ich: Haare kurz - nein, nur kürzer, oder sie: Herzinfarkt. Nun, sie hat es überlebt und ich seit 1964/65 nie mehr kurze Haare getragen. Geht doch! Die Beat-Musik war schuld, darin waren die Älteren sich einig. Nein, diese heutige Jugend! Verlottert, Jungen mit Haaren wie Mädchen, Mädchen mit Mini-Röcken (ca.1966), auf Tanzflächen sah man zuckende Gestalten, die Musik war laut, schnell, fröhlich. Die Freiheit, die wir Beatniks uns nahmen - ich glaube, sie hat vielen älteren Menschen damals Angst gemacht. Die Alten sahen das lockerer, sie hatten Lebenserfahrung und wussten um die übliche Auflehnung der Jugend gegen die bestehende ORDNUNG. In OLPE waren, gemessen an der Gesamtbevölkerung, viele Jugendliche vom Beat-Virus befallen. (Warum wohl?) Wir trafen uns vor dem Rex-Kino, gammelten provozierend da so rum, schlenderten zum Plattenladen - ah! die Neue von den Stones ist da!!!, wir hingen über der Stadtmauer und gafften hinter Mädchen her - ALLES NORMAL, in der Pubertät. Drei Typen, so um die 30, wollten mir die Haare schneiden - am Hippie-Brunnen. Sie waren sehr verwundert, das sich der SUSI wehren konnte. Es war ein Lernprozess, die Gesellschaft musste lernen, uns zu akzeptieren und wir mussten lernen, mit der Ablehnung umzugehen und uns zu behaupten. Die Musik der Zeit stachelte uns an, forderte zum Protest, tröstete und vereinte uns, gab uns Halt und ließ uns tanzen. Für die Älteren war es "Negermusik", zudem in englisch und sie verstanden kein Wort und das machte die Sache noch schlimmer. Was bedeutet das YEAHYEAHYEAH eigentlich? Wie wollte das einer erklären?? Die Zeit war gut, die Kuba-Krise überstanden, das Entsetzen über die Ermordung Kennedys hatte sich gelegt und die Mauer stand nun mal da. Wirtschaftlich ging es gut, in Vietnam wüteten die Amis, und da war nur ein Problem: Diese aufmüpfige Jugend in fast allen westlichen Ländern - fest verbunden miteinander durch eine neue Musik. Da gab es Protest-Sänger/innen, die sehr offen ihre Meinung sangen, Bands, die ihre Instrumente auf der Bühne zerdepperten, langhaarige Sänger in ausgeflippten Klamotten fassten sich in den Schritt und sangen was sexuelles und junge Frauen machten da auch noch mit! Die Gesellschaft war schockiert! Es wurde diskutiert. Die Texte einiger Beatles-Songs wurden analysiert - bis John Lennon sagte: "It`s just Rock & Roll !!!" Dann verlor diese schöne Zeit des Auf- und Ausbruchs ihre Unschuld - die Geschäftemacher hatten das Sagen im Musik-Geschäft und die neue Droge Haschisch war bei den Hippies wichtiger, als die alte Kulturdroge Alkohol. Musiker rauchten, machten dann Musik und wer das richtig hören und verstehen wollte, rauchte auch. Die Songs waren bis dahin kurz und knackig gewesen - max. 3 Min. Jetzt gab es manchmal Endlos-Gedudel. Der Film "EASY RIDER" , das Konzert in Woodstock (1969), die Stones in Altamont und...überall galt: Frei sein - high sein. Welch ein Irrtum! Nun, die Rock-Musik hat es überlebt - viele von uns nicht. Und es ging immer weiter, obwohl etwa 66 ein ganz Schlauer gesagt hatte, diese Musik würde wieder verschwinden, hätte auf Dauer keinen Bestand! Nun dann: HAPPY BIRTHDAY, liebe Rock-Musik ! IT`S ONLY ROCK & ROLL, but I like it !
W.S. 28.Nov.2004

DER MUSIKMINISTER: Schlechte Musik schadet Ihrer Gesundheit und kann zu einem geistigen Tod führen.