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Im Dezember 2006

Verstärkertechnik bei den Les Corbeaux
© Wolfgang Klimpel, Finnentrop
Mitte der 60er besaß eine Band ohne Sponsor im allgemeinen nach ihrer Gründung eine weniger als bescheidene Verstärkeranlage. Unterstützung durch Stadt oder Gemeinde gab es in der Zeit des Umbruchs nicht. Die langhaarigen "Rocker" wurden von den Konservativen argwöhnisch beobachtet, ihre Musik verrissen. Erst mit den Erlösen aus Konzerten konnte eine Band ihre Ausstattung nach und nach aufstocken. Deshalb wurde viel selbst gebaut. Bausätze von Radio-Rim waren preiswerter als käufliche Geräte. Radiotechniker aus der "Szene" bastelten sie dann nach sog. Baumappen zu recht brauchbaren Verstärkern zusammen.

Die Geräte waren noch alle in Röhrentechnik aufgebaut. Aus heutiger Sicht unfassbar: Gleichrichter, Vor-, Misch-, Klangregel-, Phasenumkehr- und Endstufen ausnahmslos röhrenbestückt. Die Hitzeentwicklung war enorm. Der "Organist" von Rim fungierte als der Standard-Verstärker schlechthin, sowohl für den Gesang als auch für die Instrumente. Seine Endstufe mit vier Röhren EL84 brachte etwa 35 Watt. Glücklich die Band, die sich einen "Gigant" oder möglichst eine Endstufe mit 100 Watt aus vier EL34 leisten konnte. Dazu vielleicht noch einen Treble-Booster, der dazu gedacht war, den physischen Lautstärke-Eindruck bei Gesang auf das dreifache anzuheben. Dies war natürlich Unsinn, wie so manches, was in der Zeit aus den USA angeboten wurde.

So gaben amerikanische Hersteller die Leistung ihrer Geräte in Größenordnungen an, die jeden physikalischen Gesetzmäßigkeiten widersprachen. Auch deutsche Firmen lockten eher mit Spitzenleistungs-Angaben, anstatt sich mit ehrlicher Sinusleistung zu begnügen. Gemittelt entsprachen zwei "amerikanische Watt" einem deutschen. Dennoch, alles Anglo-Amerikanische war in. Und wer es sich leisten konnte, erwarb eher einen zweifach überteuerten Gibson als einen vergleichbaren deutschen Verstärker.

Eisenlose Endstufen, Leistungstransistoren oder Halbleiter-Hybride gab es noch nicht. So fand sich neben dem dicken Netztransformator auch noch das nicht leichtere Eisenpaket M102b der Endstufe. Mussten sich zwei Musiker oder mehr einen Verstärker teilen, war dies wegen unvermeidlicher Verzerrungen eine klangliche Katastrophe.

Bis zum Aufkommen der Tape-Hallgeräte, wie der "Echolette" von Dynacord, wurden sog. Hallspiralen benutzt. Hier wurde der Hall elektromechanisch, durch verzögernde Spiralfedern erzeugt. Bei unsanfter Berührung des Gerätes ertönte ein ohrenbetäubendes Getöse aus den Boxen.

Man muss sich heute einmal vorstellen, dass 100 Watt für den Gesang damals ausreichten, um Säle oder gar Schützenhallen zu beschallen. Als Hallen-Anwohner beobachte ich heute, dass Bands ihren Strom mit dicken Kabelsträngen aus dem Fahrgeschäft-Verteiler nehmen müssen, weil die Gebäudeabsicherung für die Kilowattverstärker nicht ausreicht.

Elektronik war schon in früher Jugend mein Hobby. Grund genug, um mich nach dem Eintritt in die Band als Bassgitarrist auch um die Elektrik zu kümmern. Verwandte und Bekannte wurden nach Altradios abgeklappert, in Strassen abgelegter Sperrmüll danach durchforstet. Mancher Lautsprecher aus "Göbbels-Schnauzen" fand dann in Corbeaux-Lautsprecher-Boxen eine ultimative Verwendung. Die Volksempfänger hätten heute einen beträchtlichen Wert. So gesehen wurden damals kleine Vermögen verbaut.

Um die Kosten noch weiter zu senken und eigene Vorstellungen zu verwirklichen, kauften wir Verstärker-Bauteile einzeln bei Conrad. Für freien Eintritt fertigten uns zugetane Werkzeugmacher Frontplatten, bohrten und feilten die Löcher für die Röhrenfassungen in die eisernen Chassis. Ein der Firma MUBEA wegen dieser"Heimarbeit" entstandener wirtschaftlicher Schaden wird sich dennoch in Grenzen gehalten haben.

Das Geräte-Innenleben wurde noch frei über Stege verdrahtet. Durch die enorme Hitzeentwicklung in Röhrenumgebung konnte sich schon einmal eine innere Verbindung von ihrer Lötstelle lösen, konnte dadurch Verstärker und die daran angeschlossene Peripherie unter Spannung stehen. Mit letalen Folgen bei Lippen-Mikrofon-Kontakt. Flächendeckend gab es noch keine Geräte-Erdung über Schukostecker, so hat es in den Bands tatsächlich in den 60ern bundesweit eine ganze Reihe solcher tödlicher Unfälle gegeben.

Durch den Eigenbau waren wir der Zeit sogar in der Schaltungstechnik etwas voraus. Platinenmaterial und brauchbare Transistoren kamen gerade erst auf und waren bis um die Mitte der 60er noch nicht allgemein Bestandteil kommerzieller Geräte. Es gab sie aber bereits zu kaufen. Und da sie Gerätevolumen und Verlustwärme erheblich reduzierten und bis auf die Endstufe alle Röhren ersetzen konnten, haben wir sie auch verwendet.

An fotobeschichtetes Basismaterial war noch nicht zu denken. So wurde derätzresistente Abdecklack freihändig mit Farbkasten-Pinseln auf die Leiterkarten aufgetragen. Das dauerte manchmal Tage, bis das Gebilde endlich in Eisendreichlorid geätzt werden konnte. Sehr zum Leidwesen meiner Mutter, die nach der Platinenpinselei immer glas- oder säurefest emaillierte Behältnisse vermisste…

-E

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