Musikalischer Lebenslauf

Alles begann Anfang der Sechziger, als ich in der Tagesschau die Ankunft der Beatles am hamburger Flughafen gesehen habe. Der Name „The Beatles“ sowie der Begriff „Beatmusik“ hatte sich irgendwie festgesetz und fortan schenkte ich der englischsprachigen Musik, die ab und zu im Radio zu hören war, mehr Aufmerksamkeit als bisher.
Meine Eltern fanden diese Musik gar nicht so gut, denn sie fuhren mehr auf Blasmusik wie die Egerländer oder deutsche Schlager ab. Ich gebe zu, dass Freddy Quinn früher auch einer meiner Favoriten war. Der war ja im Fernsehen öfters mit Gitarre zu sehen. Einmal wurde in der Schule gefragt, da war ich glaub ich in der ersten oder zweiten Klasse, was sich jeder einzelne zu Weihnachten wünscht. Da hab ich gesagt, dass ich gern eine Gitarre hätte. Hinterher fragten ein paar Mitschüler: „Was ist das denn..........?“ Naja, damals gingen in Halbhusten (kleines Dorf bei Drolshagen) die Uhren etwas anders.
Die Gitarrenmusik hat mich nicht mehr losgelassen und mit der Flut von Beatbands, die in zunehmendem Maße im Radio gespielt wurden, wuchs das Interesse immer mehr. Ich hab zwar nie kapiert über was die eigentlich singen aber das war völlig egal. Beatles, Rolling Stones, Kinks, Hollies, Dave Dee, Dozey, Beaky, Mick and Tich, Herman’s Hermits, The Lords, The Shadows und, und, und waren so was wie Helden. Im Fernsehen kam dann der Beatclub und Beat, Beat, Beat. Das trieb die Eltern fast in den Wahnsinn, denn nicht genug damit, dass diese „Urwaldmusik“ immer öfters im Radio kam und sich ständig in den Hitparaden tummelte – nein, jetzt kam es auch noch im Fernsehen und die Kinder wollten das unbedingt sehen!
Damals war das Geld sehr knapp und an einen Plattenspieler war vorerst nicht zu denken. Da bin ich oft zu meinem Schulfreund Norbert Hoffmann gegangen. Der hatte nämlich 3 ältere Geschwister und irgendwann hatten die ein Tonbandgerät. Wenn der Beatclub im Fernsehen kam oder eine Hitparade im Radio lief wurde einfach das Mikrofon vor den Lautsprecher gestellt und aufgenommen.

In Husten (gleich neben Halbhusten) wohnt ein Bursche namens Rudi Feldmann. Der machte eine Lehre als Friseur in Olpe. Von seinem schmalen Lehrlingsgeld hat er sich schon Singles gekauft, bevor er überhaupt einen Plattenspieler hatte. Soweit ich weiß, hat er den dann später zu Weihnachten bekommen. Die Schwester von Norbert, die Agnes, hat sich bei Rudi dann auch öfters den Plattenspieler und jede Menge Platten ausgeliehen, um diese aufzunehmen. Da waren zwar auch viele deutschsprachige Sachen, wovon mir auch einiges gefiel, aber in der Hauptsache ging es um Beat.

Auf Radio Luxemburg kam samstags immer eine Hitparade, die hieß die großen Acht. Da wurden Plattengeschäfte telefonisch nach den meistverkauften Singles befragt. Einmal wurde da ein Song „A Song of Joy“ von Miguel Rios gespielt. Das war anders als alles andere, was ich bisher gehört hatte. Ein Popsong mit klassischem Orchester. Einfach kolossal! Für Klassik hatte ich mich bisher nie interessiert aber dieses Lied hatte was.

Das absolute Schlüsselerlebnis hatte ich aber 1970. Das war auch bei meinem Schulfreund Norbert. Seine Schwester hatte sich wieder mal bei Rudi Plattenspieler und – man höre – Langspielplatten ausgeliehen. Agnes war nicht da und so sind Norbert und ich an die Sachen gegangen. Da war so eine LP, wo auf dem Cover 5 Köpfe in Stein gemeißelt zu sehen waren. Norbert legte die Scheibe auf und sie begann mit „infernalischem Getöse“ – das Intro von „Speed King“! DEEP PURPLE IN ROCK! Ich saß da wie erstarrt. Diese Musik war viel Härter als Kinks, Led Zeppelin oder Black Sabbath. Als dann „Child in Time“ kam war klar, dass ich irgendwann diese Platte besitzen musste. Ich hab sie mir 1971 bei Radio Harnischmacher in Olpe von meinem Konfirmationsgeld geholt.

Nachdem wir 1971 von Halbhusten weggezogen sind ging die musikalische Entdeckungsreise unvermindert weiter. Wir hatten inzwischen auch einen Plattenspieler von Philips (mit einem im Deckel eingebauten Lautsprecher) und hier und da hab ich mir auch Platten gekauft.
1972 konnte ich mir dann endlich einen Cassettenrecorder leisten. Den hab ich für 189,-- DM im Globus Center in Olpe geholt. Von da an gab es nur noch ein Ziel: Alles aufnehmen, was mir gefiel.
Ich hab mir regelmäßig das alte Graetz Röhrenradio aus der Küche auf’s Zimmer geholt und meine Bude zum Sperrbezirk erklärt. Ich wollte meine Ruhe haben und vor allem vermeiden, dass mir jemand in die Aufnahmen quatscht, denn ich hab auch immer das Mikrofon vor den Lautsprecher gestellt. Mit der Zeit hab ich tonnenweise Lieder gesammelt – von Buddy Holly und Chuck Berry über Beatles, Lords, Status Quo und Kinks und allem, was damals Rang und Namen hatte.

In den Siebzigern gab es eine unheimliche Kreativphase: Bands wie Jethro Tull, Genesis, Uriah Heep, Yes, Manfred Mann’s Earthband, UFO, Deep Purple, Pink Floyd usw. erlangten zunehmend an Popularität und enterten auch teilweise die Singlecharts. Außerdem tauchten die sogenannten „Liedermacher“ auf. Die Bekanntesten sind wohl Reinhard Mey und Hannes Wader. Beim SWF 3 gab es sogar eigens eine Sendung dafür. Der SWF3 hatte auch eine Sendung, die nannte sich POP Shop Spezial, wo ganze LPs gespielt wurden. Da wurde ich dann z.B. auf Pink Floyd und „April“ von Deep Purple aufmerksam. Die Radiolandschaft war damals meiner Meinung nach erheblich vielfältiger als heute. Ich überlege oft woran das liegen könnte. Gibt es niemanden mehr, den das interessiert oder sitzen an den entscheidenden Stellen einfach nur die falschen Leute?

In den Siebzigern gab es auch die sogenannte „Krautrockwelle“. Deutsche Bands wie z.B. Jane, Eloy, Ramses und Grobschnitt haben mir am besten gefallen. Birth Control haben mir auch gut gefallen. Die hab ich mal 1974 in der Stadthalle in Attendorn gesehen. Das war übrigens das erste Konzert einer Profiband, das ich besucht habe.

Als Ende der Siebziger der Punk aus England kam, der Disco-Sound hatte längst die Hitparaden erobert, war es für mich, musikalisch gesehen, sehr langweilig geworden. Discosound und übrigens auch reinrassiger Blues, Funk, Jazz Soul, Punk, Reggae haben mich nie besonders interessiert. Kraftvoller und melodischer Rock – das war’s einfach.

Mitte der Siebziger hatte ich mir übrigens eine Gitarre gekauft und mehr schlecht als recht darauf herumgeklimpert. Das war eine Western Gitarre, die ich für DM 30,-- meinem Schulfreund Hubertus Hardenacke aus Buchhagen abgekauft habe. Als ich von meinem Lehrlingsgeld eine billige E-Gitarre (schwarze Les Paul Kopie) gekauft hatte, hab ich mit meinem Kumpel Rudi Bröcher aus Schreibershof und meinem noch älteren Kumpel Hans-Gert Kelm, jetzt Iseringhausen, die erste Band gegründet. Das war ein derartiges „Massaker“, dass ich mir Einzelheiten lieber erspare. Heute sinnieren wir darüber, ob wir nicht damals schon – ca. 1975 – den Punk erfunden hatten................

Bei meinem Kumpel Rudi hatte ich 1980 das nächste Schlüsselerlebnis. Er hatte die erste LP einer neuen englischen Band gekauft und wollte sie mir unbedingt vorspielen. Schon nach den ersten Tönen war das gleiche Gefühl da wie anno 1970 bei Deep Purple in Rock. Diesmal war es aber noch einen Tick stärker. Auf dem Cover dieser LP war übrigens ein „grässliches Monster“ zu sehen. Es handelte sich um das spätere Maskottchen der Band Eddy und die Band hieß IRON MAIDEN.
Kurze Zeit später hab ich in einer Musikzeitschrift was über „The New Wave Of British Heavy Metal“ gelesen. Ich meine, Judas Priest kannte ich ja schon aber Iron Maiden war neu für mich. Von nun an hab ich mich immer mehr der Heavy Richtung zugewandt, aber nie verleugnet, dass es in der Vergangenheit auch andere Helden gab und noch immer gibt. Iron Maiden und Judas Priest haben vor kurzem grandiose Konzerte gespielt. Viele alte Fans haben sich das nicht entgehen lassen. Der klassische Metal lebt.
Heutzutage gehe ich noch zu Konzerten von Dream Theater oder Amateurbands, wenn es sich grade mal ergibt.

In den 90-ern kam dann die Grunge Welle auf, Depri-Gejammer ohne Ende. Heutzutage kann man heilfroh sein wenn man im Fernsehen mal einen Clip sieht, wo noch ein Gitarrensolo gespielt wird. Undefinierbare Geräuschkulissen mit Brachialsound nerven einfach nur.

Dann wird schon jahrelang und unermüdlich gerappt – was für mich keine Musik ist, sondern nur das Aneinanderreihen von Reimen. Musikalischer Nährwert gleich Null.

Seit einiger Zeit werden durch Castingshows willige Schafe gesucht, die, wenn der Erfolg ausbleibt, zur Schlachtbank geführt werden. Manch einer der Möchtegernstars nutzt aber solche Gelegenheiten gern, um sich komplett zum Blödmann zu machen. Na ja, jeder so wie er kann.

Ich höre mich vielleicht schon so an wie meine Eltern. Aber es geht doch heutzutage grundsätzlich nur darum, die Musik möglichst gewinnbringend zu vermarkten. Ob jemand Talent oder musikalische Fähigkeiten hat ist zweitranig. Die Industrie diktiert fast ausschließlich was sendetauglich ist und bestimmt letztendlich, wer was vom großen Kuchen abbekommt.

Trotzdem gibt es noch Idealisten, die Musik als Spaß und Herzenssache betrachten. Alle, die aus diesen Gründen Musik machen, sollen sich nicht entmutigen lassen.

Mal sehen, wohin der Weg noch führt.......................